, Spreyermann Jürg

J/70-Jugendteam | Training 09.04.2024

Krisenmanagement bei 20kn

11.04.2024 | jsp

Es hätte sich eigentlich schon am Morgen angekündigt, dass etwas Unheilvolles in der Luft liegt. Trotzdem hat mich die Nachricht des SailCom-Bootsverantwortlichen Andreas Müller, dass der Elektromotor der J/70 wegen Reparaturbedarf nicht einsatzfähig ist, nicht weiter beunruhigt. Kein Grund, das Training ausfallen zu lassen! Bei dem angesagten Wind wäre der Flautenschieber wohl eh überfordert. Und mit der angemeldeten Crew wäre das An- und Ablegen unter Segeln wohl kaum ein Problem.

Regula Huber, Teilnehmerin beim J/70-Jugenteam und künftiges YCA Mitglied, Raymond Rösch und ich trafen uns im Clubhaus. Zum Umziehen bei nass-kalter Witterung ideal. Nach kurzem Begrüssen und Austauschen zu den individuellen Erwartungen an den Abend ging es raus in den Regen. Die 40 orangen Blitze pro Sekunde verhiessen Segelspass! Also (zu?) schnell die EOS segelfertig machen, Fock setzen und mit der frischen, räumlichen Brise  aus dem Hafen gerauscht, Gross hoch und los schoss der flinke Flitzer…erst ein paar Schläge gegen an. Zum Aufwärmen. Und dann lockte der Adrenalinkick: Gennaker hoch. Einfach faszinierend, wie problemlos das bei der J/70 auch bei 20kn+ klappt. Nach ein paar mehr oder weniger geglückten «Flutsch»-Halsen (für mich DIE Manöverentdeckung 2024!) genossen wir einfach das Rasen über die inzwischen aufgewühlte See. Wenn die Bugwelle seitlich hochspritzt, dann läufts! Aus der Erfahrung des letzten Glitsch-Ausflugs: die Kamera bzw. das Handy blieb in der Jackentasche verstaut (daher keine visuellen Illustrationen. Entschuldigt!). Nicht wegen der Gefahr das Handy zu beschädigen. Beim letzten Film- bzw. Fotoversuch im Voll-Glitsch hat die kurze Unachtsamkeit zum radikalen Break-Down geführt…bei 8° Wassertemperatur kein angenehmes Erlebnis. Also keine Bilder. Der Rhein-Damm setzte dem Spass viel zu schnell ein Ende. Also zurück auf die Kreuz, gegen inzwischen beträchtliche Wellenkämme. Nicht der Lieblingssport der J/70. Das flache Unterwasser macht sich gegen die Wellen durch eine beachtliche Lärmkulisse unangenehm bemerkbar. Aber…warum hängen die Leewanten so lose? Was ist hier los? Die Fock stand schrecklich. Das Profil war praktisch flach. Nur die vordersten 10cm krallten förmlich um 180°. So viel Spannung auf dem Vorliek? Dabei schlug das Vorstag förmlich mit den harten Bewegungen des Bootes, während sich die EOS durch die Wellen prügelte. Das Lösen des Fockfalls brachte keine Besserung. Also Spannung wieder hoch. Auf mehrfach wechselnden Bugen versuchten wir die Wantenspannung wieder auf ein vertretbares Mass zu erhöhen. Aber die Spanner waren schnell am Anschlag. Trotzdem wippten die Leewanten beängstigend im Wind. Erst ein Blick vom Vorschiff in den Masttopp gab einen Hinweis. Der Roll-Wirbel hing mit losem Vorstag oberhalb der Fock am Mast quer ab. Vorstag gebrochen!? Mit dem Gennakerfall als Not-Vorstag kämpften wir uns ohne Motor und unmöglichem Fock-Profil zurück nach Arbon. Inzwischen nass und durchgefroren konnten wir die Segel schliesslich erst um 21:00 mit einer Stunde Verspätung im Hafen bergen…für eine Inspektion des Schadens war es bereits zu Dunkel. Erst am Tag darauf klärte sich die Ursache für den beinahe Mastverlust: keine Sicherungs-Splinten im Spanner. Durch das Ein- und Ausrollen der Fock hat sich dann irgendwann das Terminal des Vorstags rausgedreht.

Was wir mitnehmen:
Ein SailCom Boot ohne vorgängige Inspektion der vitalen Elemente zu segeln, ist definitiv keine gute Idee! Auch wenn es bedeutet, die Fock kurz auszurollen, um das Pütting und das Vorstag-Terminal einzusehen. Von jetzt an wird die Anfangsinspektion zur Routine beim J/70-Jugendteam…